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Inhalt:
Geschichte des Ortes, Schlussfolgerungen aus dem städtebaulichen Umfeld, Raumbildung und Abgrenzung, Verkehrszuweisung, Oberflächengestalt, Bepflanzung, Podestanlage vor dem Jungen Theater, Beleuchtung, Visionen einer kulturellen Nutzung, Wer soll das bezahlen???
Der
Wochenmarktplatz beinhaltet ein großes, brach liegendes Potenzial. Außerhalb
des dreimal in der Woche stattfindenden Marktbetriebes geschieht in der meisten
Zeit des Jahres sehr wenig auf diesem sehr zentral gelegenen innerstädtischen
Freiraum. Nur an warmen Sommerabenden ist er voll von jungen Leuten, die abends
vor dem ´Jungen Theater´ ihr Bier genießen. Ansonsten - öde Leere.
Kann
es sein, dass diese große Fläche nur während des Marktbetriebes Leben
ausstrahlt? Und sollte es sein, dass diese Fläche ihre Hauptnutzung lediglich
in einer fußläufigen Abkürzung der Innenstadtwege und vor allem in einer
Abstellfläche für Autos findet?
Viele
Bereiche des Platzes haben heute keine Funktion. An ihnen wird die ganze
strukturelle Problematik des Platzes deutlich: sie verkommen als Müllplätze,
als Pennerecken und - als Pissoirs, jawohl, durch Verbotsschilder dokumentiert!
Die wenig durchdachten Versuche einer partiellen Verbesserung haben eher zum
Gegenteil beigetragen, da sie den Kern des Problems nicht berührten.
Um die strukturellen Probleme zu beseitigen, bedarf es einer Gesamtkonzeption für den Platz, einschließlich einer genauen Funktionszuweisung bzw. -trennung einzelner Flächen. Es müssen Räume und Aufenthaltsbereiche neu definiert werden, um den Platz abwechslungsreicher und erlebbarer zu gestalten. Es muss ein Gestaltungsansatz aufgezeigt werden, der die bestehenden Funktionen (Marktbetrieb, Verkehrssituation) berücksichtigt, um diesem öffentlichen Raum, auch außerhalb der fröhlich-bunten Marktzeiten, eine eigene Identität und Lebensqualität zu verleihen. Hierbei sollte man sich vielleicht auch einmal die Mühe machen, einige Minuten auf die Geschichte des Ortes zu verwenden.
Das
Quartier des heutigen Wochenmarktplatzes und seiner umschließenden Bebauung
liegt in den ältesten Bereichen Göttingens, welche vor Verleihung der
Stadtrechte ein Dorf mit dem Namen Gutingi waren. Es wird vermutet, dass über
den Bereich des heutigen Wochenmarktes der Reinsgraben, an dem sich die ersten
Siedlungen Göttingens bildeten, in Richtung Leine floss. Der heutige
Wochenmarkt lag zwischen der inneren Befestigungsmauer (1251) und dem äußeren
Befestigungswall (1362-1577) der später entstandenen Stadt.
Eine
grundlegende Veränderung der Göttinger Entwicklung brachte 1737 die Gründung
einer der ersten Universitäten in Deutschland, welche sich auch auf den
heutigen Wochenmarktplatz auswirken sollte. Im Jahre 1835 nämlich erwarb der
Göttinger Professor Carl Otfried Müller das ca. 3500 m² große Grundstück und
ließ sich von Baumeister C. F. A. Rohns eine im klassizistischen Stil gehaltene
freistehende Villa errichten. Bemerkenswert ist, dass die Hauptfassade des mit
Säulen, Pilastern und Balkonen ausgestatteten Gebäudes nicht zur Straße ausgerichtet
wurde, sondern zum parkähnlich gestalteten Garten.
Das
Haus selbst entstand nach Müllers eigenen Entwurfsskizzen. Vorbilder fand er
dabei in der klassischen griechischen Architektur und in jener des
zeitgenössischen Architekten Schinkel. Das Ergebnis war ein Haus in
klassizistischer Manier, das damals schon als ungewöhnlich galt und heute noch
als baugeschichtlich bemerkenswert eingestuft wird. Auffallend sind vor allem
die freistehenden dorischen Säulen, die nicht den Haupteingang betonen, wie es
vielfach bei öffentlichen Gebäuden zu sehen war, sondern nur einfache Balkone
tragen. Die dekorativste Seite des Gebäudes war somit nicht nach außen, also
zur Hospitalstraße hin orientiert, sondern dem Privatbereich seiner Bewohner
zugewandt. Die Straßenfront ist lediglich mit einfachen dorischen Pilastern und
Gesimsen gegliedert.
Den
Stil des Hauses bezeichnete der aus Schlesien stammende Bauherr, der offenbar
einen feinen Sinn für Humor pflegte, als ´griechisch-schlesischen Stil´.
Müller, Professor für klassische Philologie und Archäologie, bezog die Villa
mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern und ließ den Hausgarten in Form
einer parkähnlichen Anlage erstellen.
Nach
seinem Tod, wenige Jahre später, wechselten die Nutzungen des Hauses stetig. Ab
1846 wurde das Haus an das ´Literarische Museum´ verpachtet . Dieser u.a. von
Otfried Müller mitgegründete Verein hatte sich die Beschaffung und Pflege
wissenschaftlicher Lektüre zur Aufgabe gesetzt. Der Verein zog großes Interesse
auf sich; aufgrund des Zulaufs in den folgenden Jahren baute man 1856 einen
Saal hinzu und errichtete im Jahre 1858 zusätzlich noch einen Speisesaal.
1886
schlossen sich das ´Literarische Museum´ und der 1789 gegründete ´Zivilklub´
zur sogenannten ´Union´ zusammen und betrieben im Otfried-Müller-Haus eine
öffentliche Gastwirtschaft. Die Räume blieben aber auch weiterhin ein
kulturelles Forum für die Stadt, man nutzte das Gebäude auch für
Theaterveranstaltungen. In zunehmendem Maße wurde deutlich, dass sich rund um
das Otfried-Müller-Haus die Entwicklung eines kulturellen Zentrums für
Göttingen anbahnte.
1903
wurde das Haus an die Stadt Göttingen verkauft. Die Kultur musste in den
Kriegsjahren des 1. Weltkrieges weichen, das Haus wurde zum Lazarett
umfunktioniert. Nach dem ersten Weltkrieg richtete die Stadt Göttingen eine
Jugendherberge im Otfried-Müller-Haus ein.
In der Epoche des nationalsozialistischen Regimes wurde das Haus weiter als
Jugendheim genutzt. Die Hitlerjugend bot über sportliche Wettkämpfe und
wehrsportliche Übungen ideologische Jugendarbeit an.
Nach
dem Zweiten Weltkrieg wechselten die Nutzungen ständig. Die Stadt Göttingen
schien keine keine rechte Verwendung für das Haus zu finden, und so wurden im
´Großen Saal´ die Kammerspiele, eine kleinere Schauspielbühne des ´Deutschen
Theaters´ Göttingen, eingerichtet. Den Namen ´Kammerspiele´ übernahm
anschließend ein kommerzielles Kino. Es verfügte über zwei Säle, den alten Saal
und den ehemaligen Speisesaal, die sich im Anbau nördlich der eigentlichen
Villa befanden. Das Otfried Müller Haus selbst wurde Sitz der Volkshochschule
Göttingen.
Im Juli 1950 wurde auf dem heutigen Wochenmarktplatz vor dem Otfried Müller
Haus das erste Freilichtkino Westdeutschlands, mit ca. 1000 Sitzplätzen
eingerichtet.
Im
Zuge steigender Verkehrszulassungen für Kraftfahrzeuge wurde 1967 das komplette
Blockinnere asphaltiert und als Parkplatz genutzt.
1975 beschloss die Stadt Göttingen, dem erfolgreichen ´Jungen Theater´ mit
seinem Intendanten Hans-Gunther Klein die Räumlichkeiten des
Otfried-Müller-Hauses in der Hospitalstraße zur Verfügung zu stellen, und
begann mit dem Umbau des Gebäudeinneren. Hintergrund dieses Angebots an das
Junge Theater bildeten die Schwierigkeiten der Stadt Göttingen, für
verschiedene ´freie Gruppen´ (zunächst Jugendgruppen), die sich bereits seit
Jahren zu einer Planungsgruppe für ein sogenanntes Kommunikations-und
Aktionszentrum (KAZ) zusammenbgeschlossen hatten und dessen Realisierung
einforderten, einen organisatorischen Rahmen zu finden, da sie selbst nicht als
Trägerin fungieren wollte.
Im Dezember 1975 verpflichtete sich die ´Junges Theater-GmbH´ im Rahmen eines
Trägerschftsvertrages mit der Stadt Göttingen dazu, neben dem Theaterbetrieb
mit anderen Gruppen, die ´selbst kulturell aktiv und produktiv sein wollen´,
zusammen zu arbeiten. Seit 1976 nutzt das Junge Theater zusammen mit dem
Kommunikations- und Aktionszentrum (KAZ) die Gebäude für Theateraufführungen,
Gastronomie und Kultur- und Bildungsveranstaltungen.
Mit
dem Abbruch des südwestlichen Teils des Quartiers im Jahre 1976 musste der alte
Speisesaal der Errichtung eines Parkhauses weichen. Nach dem Bau der Passagen
wurde das Blockinnere immer mehr als Fußgängerverbindung in der Innenstadt
genutzt.
1978 wurde nach einem Entwurf des Hochbauamtes der Stadt Göttingen im Norden
des Theatersaales ein eingeschossiger Flachbau für Requisiten und Garderoben
errichtet.
Der
ursprüngliche Ort des Göttinger Wochenmarktes ist der Marktplatz vor dem Alten
Rathaus. Hier wurde bis in unser Jahrhundert hinein Markt abgehalten. Erst 1967
erhielt der heutige Wochenmarktplatz die Funktion des Marktes.
Schlussfolgerungen aus dem städtebaulichen Umfeld
Der
Wochenmarktplatz ist der jüngste Platz der Göttinger Altstadt; er entstand erst
in den sechziger Jahren durch den Abbruch von Hinterhäusern unter Einbeziehung
der Freiflächen des Otfried-Müller-Hauses.
Die
zentral gelegenen Stadtplätze folgen allesamt dem Prinzip der
Altstadtgestaltung aus den 70er Jahren. Rotes und graues Kleinpflaster sowie
Waschbetonpflaster beherrschen das Stadtbild, die Plätze sind zumeist den
platzumgebenden Gebäuden untergeordnet und ähneln sich in ihrer Gestaltung in
Bezug auf die verwendeten Materialien und Gehölze.
Unter
Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist die folgende Zielbestimmung
gerechtfertigt:
Die Gestaltung des Wochenmarktplatzes könnte ein modernes Gegenstück zu den bestehenden traditionellen Plätzen des Göttinger Altstadtkerns darstellen. Durch den Einsatz verschiedener Lichtinstallationen und eine neue Platzoberfläche mit großformatigen Platten könnte sich die Fläche von den anderen Plätzen der Göttinger Altadt deutlich unterscheiden. Vor allem die Verlagerung und Erweiterung des bestehenden kulturellen Angebots in den Freiraum bietet ein Potenzial, welches die Attraktivität des Wochenmarktplatzes auch nach den Ladenöffnungszeiten um ein Vielfaches steigern könnte. Dieses Potenzial hat in Göttingen eine besondere Rechtfertigung durch den hohen Anteil junger Leute an der Stadtbevölkerung.
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Die
vorhandene Bebauung bildet einen unveränderbaren Abschluss für den zu
gestaltenden Freiraum. Dieser hat die Form eines rechten Winkels mit zwei
annähernd gleich langen Schenkeln nach Westen und Süden. Durch die angrenzenden
Gebäude wird der Raum im südlichen und besonders im westlichen Schenkel
eindeutig festgelegt.
Der sehr uneindeutige Raumcharakter der Platzmitte erhält im Entwurf einen fest
definierten Abschluss. Hier, wo sich heute Privatflächen und öffentlicher
Freiraum scheinbar vermischen und nahezu in keiner Weise voneinander zu
unterscheiden sind, wird ein viertelkreisförmiger, in seiner Höhe gestaffelter
Grünzug angelegt. Durch Verwendung relativ weniger Gehölzarten, welche relativ
dicht gesetzt werden und deren Kronen bald ineinander übergehen werden,
entsteht eine ´grüne Wand´ mit einem einheitlichen Erscheinungsbild. Sie
bewirkt eine eindeutige räumliche Begrenzung des Platzes im Nordosten, leitet
sanft, aber eindeutig den Richtungswechsel von Ost-West nach Nord-Süd und
stellt gleichzeitig den Hintergrund einer Skulptur dar, welche gemeinsam mit
ihr das Zentrum des Platzes betonen soll. Aufgrund der eigenwilligen Form des
Platzes besteht die zentrale Aufgabe dieses Ortes in der Verbindung der beiden
Schenkel zu einer Einheit: dem Göttinger Wochenmarktplatz. Ein Zentrum,
obgleich am Rande gelegen, erhält durch Bepflanzung und Kunstobjekt sowie durch
Wasser, Licht und Menschen ein angemessenes Gewicht.
Im
südlichen Schenkel erfolgt eine weitere räumliche Neuorientierung. Sie wird zum
einen durch die Verlagerung der Anliegerstraße in Richtung Nordosten bewirkt,
welche für den Platz eine größere zusammenhängende Fläche entstehen läßt. Die
Trennung dieser Flächen wird durch eine unterschiedliche Art der
Oberflächenbefestigung verdeutlicht. Räumliche Wirkung erhält sie durch eine in
regelmäßigen Abständen angelegte Baumreihe. Die funktionale Trennung wird
überdies durch Ausstattungselemente (z.B. Poller, Bänke) unterstützt.
Eine weitere Neugestaltung des südlichen Schenkels besteht in der Integration
des bislang durch Pappeln und Palisaden abgetrennten Raumes unmittelbar am
Theaterbau. Dieser Raum wird im wahrsten Sinne des Wortes aufgewertet: er wird
um ca. 80 cm erhöht und damit der Freiterrasse des Otfried-Müller-Hauses
zugeordnet. Die Treppenanlage vor dessen historischer Fassade, die sich nach
Norden in eine Sitzstufenanlage fortsetzt, bewirkt zwar eine Raumgliederung,
nicht aber eine Trennung. Im Gegenteil: das Integrierende dieser Höhenstaffelung
kommt durch eine weich gewundene Schlangenlinie zum Ausdruck, welche den
Menschen auf den Sitzstufen eine Zuwendung zu einander ermöglicht, statt sie in
einer Richtung parallel anzuordnen.
Der Südschenkel ist ein offener Platz: er öffnet sich nach Süden, gibt den Weg
frei für das Sonnenlicht, welches ungehindert auf den Platz fluten kann, und
für die Menschen, die ihn von der Hospitalstraße einsehen und erreichen. Salve
hospes, seid gegrüßt und eingeladen, liebe Gäste, könnte man den Namen dieser
Straße sehr frei assoziieren. Die breite Öffnung des Platzes nach Süden ist
seine Repräsentation nach außen. Sie wird durch Bäume lediglich flankiert,
nicht aber verstellt. Des Nachts sorgen Bodenstrahler, die diese Bäume von
unten beleuchten, sowie eine Lichtsäule für Eindeutigkeit der Raumbegrenzung,
ohne jedoch diesen traditionellen Hauptzugang zum Wochenmarktplatz zu
verschließen. Im Gegenteil: Lichtbänder und -installationen locken zum Besuch
des Platzes.
Eine
eindeutige, räumliche Abgrenzung hingegen ist zur Straße ´Am Wochenmarkt´
erforderlich. Die hier angeordnete Baumreihe dient nicht nur zur eindeutigen
Unterscheidung der fußläufigen von der befahrenen Zone, sondern verfolgt auch
den Zweck einer einheitlichen Raumbildung und nimmt diese Aufgabe den
uneinheitlichen und unansehnlichen Fassaden der östlichen Randbebauung ab.
In deutlich bescheidenerem Maße erfolgt die Neudefinition des Raumes im
Westschenkel. Die hier durch die unveränderbare Bebauung eindeutig
vorgezeichnete räumliche Situation erhält lediglich durch den Fall der Mauer
und die damit verbundene Einbeziehung des bislang toten Raumes im Südwesten
eine Erweiterung, welche dennoch aufgrund funktionaler Einengung durch die
angrenzenden Nutzungen sowie starker Beschattung durch das Parkhaus ein
erheblich geringeres Funktionspotenzial aufweist als die übrige Fläche. Aus
diesem Grund beinhaltet der Vorschlag, in diesem Bereich ein Café mit Terrasse
einzurichten, weder räumlich noch funktional eine Einengung, sondern stellt
einen auf das Handicap der Situation zugeschnittenen, konstruktiven Vorschlag
dar.
Der
Entwurf sieht eine konsequente und eindeutige Verkehrszuweisung der Flächen
vor. Im Wesentlichen wird zwischen der befahrbaren Fläche der Straße ´Am
Wochenmarkt´ und der Platzfläche unterschieden, welche in ihrer
Verkehrszuweisung den Charakter einer reinen Fußgängerzone erhält.
Um
für einen modernen Platz auch eine alternative Oberflächengestaltung zum
herkömmlichen ´Altstadtpflaster´ zu bieten, ist als Gerüst der neuen Oberfläche
eine Befestigung mit großformatigen Platten vorgesehen. Die ´Basispflasterung´
besteht für den gesamten Platz aus durchgehend 40/80/8 cm großen Platten. Die
Oberfläche dieser Betonplatten besteht aus farbigem Edelsplitt. Dieser
Granit-Edelsplitt ist in einem grauweißen Farbton gehalten und ergibt einen
freundlichen hellen Grundton. Die Vorteile dieses modernen Betonsteinmaterials
sind leichte Verlegbarkeit, Frost- und Farbbeständigkeit, hohe Lebensdauer und
mithin Wirtschaftlichkeit.
Die Verwendung der Natursteinmaterialien bei der Oberflächenbehandlung
(Kugelstrahlverfahren) gibt den Platten einen natürlichen Charakter. Durch das
einheitliche Format ist der Belag gut begehbar und durch die schmalen Fugen
sehr trittsicher. Insgesamt vermittelt der neue Belag einen sauberen und
ordentlichen Eindruck. Er ist gut zu reinigen, was angesichts des
Marktbetriebes besonders wichtig ist, und durch das einheitliche Format auch
leicht austauschbar. Die Verlegerichtung sowie die Verwendung unterschiedlicher
Materialien bei der Strukturierung dieser Fläche unterstreicht den
eigenständigen Charakter der beiden Schenkel des Platzes. Darüber hinaus werden
weitere Unterbereiche hierdurch besonders kenntlich gemacht.
Nicht
nur der Abwechslung der Oberflächengestaltung, sondern vor allem der Verbindung
beider Schenkel des Platzes dient ein in die Oberfläche eingearbeitetes
Pflasterband. Sein in organischen Schwüngen angelegter Verlauf weist auf die
Ziele und Attraktionen des Platzes hin. Von der Passage der Kurzen Straße
kommend erstreckt es sich in leichten Wellen, die sich beim Übergang in den
nächsten Schwung jeweils verjüngen, bis zur Platzmitte, wo es hinter der
Skulptur in einem Bogen in den südlichen Teil des Platzes verläuft, um sich anschließend
in der ebenfalls geschwungenen und in ihrer Oberfläche ähnlich gestalteten
Sitztreppe vor dem Jungen Theater fortzusetzen. Zumindest bis zum Zentrum
stellt es einen möglichen Weg für die Besucher des Platzes dar.
Die Gestaltung des Pflasterbandes wird neben der Form durch verschiedene
Materialien bewirkt. Von Schwung zu Schwung wechselt der Belag von dunklem zu
hellem Naturstein. Hierbei kommen die im Raum Göttingen natürlicherweise
wechselnden Ausgangsgesteine Buntsandstein und Muschelkalk zur Verwendung,
welche auch an nahezu allen historischen Gebäuden in der Innenstadt wieder zu finden
sind.
Die Einfassung des Bandes erfolgt durch kleinformatige Granitpflastersteine in
einem mittleren Grauton. Eine Reihe des Granitpflasters beschreibt eine durchgehende
Linie und gibt neben dem Wechsel vom Naturstein des Pflasterbandes zum
Kunststein der Umgebung auch den Wechsel zum anderen Natursteinbelag innerhalb
des Pflasterbandes vor.
Die beiden zu verwendenden Natursteine sollen das einheitliche Bild der Platten
sowie ihren geradlinien Verband auflockern und kontrastieren. Diese Aufgabe
kann das Pflasterband jedoch nur während der Zeiten übernehmen, in denen die
Unterschiedlichkeit des Materials durch das Tageslicht zum Ausdruck kommt. Um
auch zu Nachtzeiten eine Differenzierung der Fläche zu bewirken, werden in
einem Abstand von 3 Metern Bodenstrahler in das Pflasterband eingelassen. Auf
diese Weise wird auch am Abend und in der Nacht auf die Ziele und Akzente des
Wochenmarktplatzes (Skulptur der Platzmitte, Parkhauseingang ..) aufmerksam
gemacht.
Eine
spezifische Differenzierung bestimmter Baumarten wird für die folgenden
Aufgaben erforderlich:
Eine
großzügige Treppen- und Podestanlage vor dem Theaterkomplex stellt ein
zentrales Gestatungselement innerhalb des neuen Konzeptes dar. Die
tribünenartige Gestaltung soll eine Verlagerung der bislang nahezu
ausschließlich im Inneren des Theatergebäudes bzw. des KAZ konzentrierte
kulturelle Aktivität in den Freiraum ermöglichen. Die exponierte, erhöhte Lage
bietet dabei ein im wahrsten Sinne des Wortes ´hervorragendes´ Podium für die
verschiedensten Veranstaltungen. Die Veranstaltungsmöglichkeiten werden
allenfalls durch die Witterung und Jahreszeiten begrenzt, sind in der Saison
hingegen weit gefächert: neben Theateraufführungen kann dieser Ort für
Konzerte, Freilichtkino, Lesungen, Demonstrationen und weitere Happenings
genutzt werden. Neben oder mit dem Kulturprogramm bildet die Gastronomie die
schwerpunktmäßige Nutzung der Podestfläche. Der Wochenmarktplatz erhält durch
diese Gestaltung die Chance, sich als junges, kulturelles Zentrum innerhalb der
Stadt Göttingen zu etablieren - was er, wie die Geschichte zeigt, bereits schon
mehrere Male war.
Das Podest erstreckt sich vom Otfried-Müller-Haus über den Theatersaal bis zur
Südfassade der Theaterrequisite über eine Länge von insgesamt etwa 50 Metern.
Die Podesthöhe liegt durchgehend bei 80 Zentimetern über Platzniveau und
richtet sich damit in der Höhe nach dem Niveau der Kleinterrassen, die unter
den von dorischen Säulen getragenen Balkonen bis heute nur als Ablageort der
Biertische und -bänke dienen. Das Podest ist über zwei verschiedene
Treppentypen und eine vor der Theaterrequisite gelegene Rampe zu erreichen. Im
Süden wird der Höhenunterschied von einer 90 cm hohen Mauer aus Buntsandstein
abgefangen, welche in Verbindung mit einem Geländer das Podest begrenzt.
Die dem Otfried-Müller-Haus zugeordnete geometrisch geformte Freitreppe mit
fünf Steigungen à 16 Zentimetern und einer Auftrittstiefe von 40 cm erstreckt
sich genau auf die Breite des Gebäudes. Hierbei wird die vor dem Eingang
bestehende minimale Podestfläche 4 Meter in den Platzraum hervorgezogen, um als
Podium wirken zu können. Ein Halbkreis mit einem Radius von vier Metern, dem
Eingangsbereich des Gebäudes zugeordnet, ist dem Podest vorgelagert, die
Mittelachse des Gebäudes aufnehmend und in den Raum tragend. Die Blockstufen
der Freitreppe sind aus Beton mit einer Beschichtung aus hellem Edelsplitt
gefertigt. Diese, dem Theatergebäude eindeutig zugeordnete Treppenanlage
entspricht in seiner Formensprache der ausgewogenen symmetrischen Gestaltung
des klassizistischen Gebäudes.
Von der Freitreppe durch eine Buntsandsteinmauer mit Geländer getrennt,
schließt sich nach Norden als Übergang vom Platz zu dem Podest eine
Treppenanlage an, welcher weniger der Erschließung sondern vielmehr der
Kommunikation dienen soll. Als geschwungene Sitztreppe nimmt sie das
Formenspiel der in die Oberfläche eingelassenen Pflasterbänder auf und
kontrastiert durch diese freie Formensprache die strenge, am Otfried-Müller-Haus
orientierte Symmetrie der benachbarten Freitreppe. Das geschwungene
Pflasterband läuft somit in der Treppenanlage aus und erhebt sich in die dritte
Dimension.
Die vor dem Saal gelegene großflächige Tribüne erstreckt sich von der Fassade des
Theatergebäudes bis zu 10 Meter zuzüglich der anschließenden Treppenanlage in
den Platzraum. Die gesamte Podestfläche vor dem Otfried-Müller-Haus wie auch
vor dem Theatersaal ist mit dem großformatigen Rechteckpflaster der
Basispflasterung befestigt. Auch die Verlegerichtung und die rhythmisierenden,
unterteilenden Plattenbänder werden von der davorliegenden Pflasterfläche
übernommen. Eine zusätzliche Strukturierung erhält die Fläche durch die in den
Boden eingelassenen Beleuchtungskörper, die sich ebenfalls über beide Flächen
fortsetzen.
Aufgrund dieser Gestaltung erscheinen Podest und übrige Platzfläche trotz des
Höhenunterschiedes von 80 cm als Einheit. Gleichwohl zeichnet der
Höhenunterschied eine deutliche Funktionstrennung vor: Marktstände werden Schwierigkeiten
haben, ihn zu erreichen - fliegende Händler hingegen haben hier keine Probleme.
Als Sitzterrasse ist das Podest geeigneter als das Parterre - allein der
Aussicht wegen, darüber hinaus aufgrund der relativen Nähe zum Tresen. Eine
Bühne hat auf dem großen Podest die besten Voraussetzungen mit nahezu
unbegrenzten Auftrittsmöglichkeiten. Umgekehrt lassen sich auch vom Podest aus
Aktionen im Parterre verfolgen. Der Möglichkeiten gibt es sicher noch mehr: in
jedem Falle bietet die Höhenstaffelung der Fläche vor den kulturell genutzten
Gebäuden erheblich mehr Möglichkeiten der Kommunikation und Aktion als eine
Fläche gleicher Höhenlage.
Um
den Platz auch des Nachts als attraktives Kulturzentrum wirken zu lassen, ist
ein sehr differenzierte Beleuchtungssystem angedacht. Es besteht aus
Bodenstrahlern, Lichtbändern (in den Boden eingelassene Leuchtdioden),
Mastleuchten und Lichtpollern unterschiedlicher Höhe, einem System zur
Beleuchtung der großen Treppenanlage, Lichtsäulen an den Eingängen, Strahlern
an den Fassaden, einem LED-Informationssystem und nicht zuletzt der
Möglichkeit, durch Aufstellen einer Beleuchtungsbrücke die Theateraktivitäten
im Freiraum zu ermöglichen.
Die
Neugestaltung des Wochenmarktplatzes eröffnet gegenüber der heutigen Situation
umfassende Möglichkeiten kultureller Aktivitäten oder auch des Kulturkonsums.
Eine der wesentlichen Eigenschaften von Kultur ist ihre Spontanität. Wichtig
erscheint daher, ein offenes, einladendes Forum zu schaffen, Räume nicht
abzutrennen sondern im Gegenteil zu verbinden und alle Möglichkeiten zur
Versorgung vorzusehen, wie zum Beispiel Fundamente und Anschlüsse für eine
Beleuchtungsbrücke zur Umwandlung des Podestes oder des davor gelegenen Parterres
in eine Bühne.
Eine der wesentlichen kulturellen Nutzungen wird die des Theaters sein. Auch
die Göttinger Tradition als Filmstadt kann mit der Einrichtung eines
Freilichtkinos, welches bereits einmal hier seinen Platz hatte, an dieser
Stelle sehr effektvoll wiederbelebt werden.
Die bildende Kunst kann auf dem Wochenmarktplatz ebenfalls ein Forum erhalten.
Der Göttinger Kunstmarkt war in den siebziger und achziger Jahren eine
Tradition, bevor ihn wenig kulturbeflissene Stadtmütter und -väter ersatzlos zu
Gunsten eines Altstadtfestes fallen ließen. Auf einem Wochenmarktplatz, der
auch einen kulturellen Treffpunkt darstellt, wäre die Wiederbelebung der
ehemals sehr erfolgreichen Institution allein durch die vorhandene
Infrastruktur erheblich erleichtert. Kleine Ausstellungen könnten sich in den
Gastronomiebetrieben des Umfeldes etablieren, bevor es vielleicht auch Galerien
bewegen würde, sich in der Nähe des Wochenmarktplatzes niederzulassen.
Die Göttinger Händelfestspiele bilden den Höhepunkt der Musikszene in der
Universitätsstadt. Seit langem ist im Zuge des Programmes mindestens ein
Freiluftkonzert Tradition; früher einmal fand es auf dem Marktplatz statt. Das
große Podest am Jungen Theater nimmt leicht ein Sinfonieorchester und dazu
einen Chor auf. Die umliegende Bausubstanz verhilft dem Platz zu einer,
allerdings beschränkten Akustik. Die wenigen Passagen erlauben, dass derartige
Konzerte auch nichtöffentlich sind, so dass die Kosten von einem zahlenden
Publikum getragen werden. Dennoch ist es stets eine besondere Geste der
Händel-Gesellschaft gewesen, auch freie Konzerte anzubieten und auf diese Weise
das kulturelle Leben auch in der breiten Öffentlichkeit zu verbreiten.
Bereits diese Visionen einer kulturellen Nutzung des Wochenmarktplatzes lassen
erahnen, welches Potenzial durch eine Umgestaltung mobilisiert werden kann.
Durch eine aktive Kulturszene können diese Erwartungen ohne weiteres noch
übertroffen werden. Wichtig ist jedoch, dass mit einem geeigneten, offenen
Umfeld der Boden für dererlei Aktivitäten bereitet wird.
Ist
der Platz zu aufwändig gestaltet? Kostspielige Materialien wie
Natursteinpflaster werden auf einen minimalen Anteil beschränkt. Aufwändig ist
die Treppenkonstruktion - aber ein erhöhtes Podest mit nur wenigen Zugängen
würde abermals eine Flächentrennung bewirken, die definitiv vermieden werden
muss. Aufwändig ist die Lichtinstallation. Aber sie verlängert die tägliche
Nutzungsdauer des Platzes erheblich. Geht man davon aus, dass der Platz durch
Gastronomie und Kulturveranstaltungen auch eine monetär ausdrückbare Nutzung
erhält, beinhaltet die Gewährleistung entsprechender Lichtverhältnisse nichts
anderes als eine sinnvolle Investition, welche zumindest teilweise durch
Pachten refinanzierbar ist.
Vielleicht sollte man sich von der Idee lösen, dass umfangreiche und damit
kostspielige Sanierungsvorhaben von Freiraumsituationen grundsätzlich mit
Hinweis auf die allgemein als schlecht bezeichnete kommunale Finanzsituation
hinten angestellt werden. Nach einem Bericht des ´Göttinger Tageblatts´
erbringt die Göttinger Parkraumbewirtschaftung der innenstadtnahen Bereiche
jährlich 3,5 Millionen DM! Diesen Betrag wird die Neugestaltung des
Wochenmarktplatzes nicht überschreiten. Mit diesem Bezug wird deutlich, dass es
nicht um absolute Summen geht, sondern um Prioritäten, und dass die Sanierung
und gestalterische Aufwertung des Göttinger Wochenmarktplatzes als einem der
größten Freiräume der Innenstadt kein Jahrhundertprojekt sein muss.
© Schwahn Landschaftsplanung, Mathias Wollmann, Juni 2001
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