Der Göttinger Wochenmarktplatz -
ein Potenzial zur Belebung der Göttinger Kultur

von Mathias Wollmann

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Inhalt:

Geschichte des Ortes, Schlussfolgerungen aus dem städtebaulichen Umfeld, Raumbildung und Abgrenzung, Verkehrszuweisung, Oberflächengestalt, Bepflanzung, Podestanlage vor dem Jungen Theater, Beleuchtung, Visionen einer kulturellen Nutzung, Wer soll das bezahlen???

Der Wochenmarktplatz beinhaltet ein großes, brach liegendes Potenzial. Außerhalb des dreimal in der Woche stattfindenden Marktbetriebes geschieht in der meisten Zeit des Jahres sehr wenig auf diesem sehr zentral gelegenen innerstädtischen Freiraum. Nur an warmen Sommerabenden ist er voll von jungen Leuten, die abends vor dem ´Jungen Theater´ ihr Bier genießen. Ansonsten - öde Leere.

Kann es sein, dass diese große Fläche nur während des Marktbetriebes Leben ausstrahlt? Und sollte es sein, dass diese Fläche ihre Hauptnutzung lediglich in einer fußläufigen Abkürzung der Innenstadtwege und vor allem in einer Abstellfläche für Autos findet?

Viele Bereiche des Platzes haben heute keine Funktion. An ihnen wird die ganze strukturelle Problematik des Platzes deutlich: sie verkommen als Müllplätze, als Pennerecken und - als Pissoirs, jawohl, durch Verbotsschilder dokumentiert! Die wenig durchdachten Versuche einer partiellen Verbesserung haben eher zum Gegenteil beigetragen, da sie den Kern des Problems nicht berührten.

Um die strukturellen Probleme zu beseitigen, bedarf es einer Gesamtkonzeption für den Platz, einschließlich einer genauen Funktionszuweisung bzw. -trennung einzelner Flächen. Es müssen Räume und Aufenthaltsbereiche neu definiert werden, um den Platz abwechslungsreicher und erlebbarer zu gestalten. Es muss ein Gestaltungsansatz aufgezeigt werden, der die bestehenden Funktionen (Marktbetrieb, Verkehrssituation) berücksichtigt, um diesem öffentlichen Raum, auch außerhalb der fröhlich-bunten Marktzeiten, eine eigene Identität und Lebensqualität zu verleihen. Hierbei sollte man sich vielleicht auch einmal die Mühe machen, einige Minuten auf die Geschichte des Ortes zu verwenden.

Geschichte des Ortes

Das Quartier des heutigen Wochenmarktplatzes und seiner umschließenden Bebauung liegt in den ältesten Bereichen Göttingens, welche vor Verleihung der Stadtrechte ein Dorf mit dem Namen Gutingi waren. Es wird vermutet, dass über den Bereich des heutigen Wochenmarktes der Reinsgraben, an dem sich die ersten Siedlungen Göttingens bildeten, in Richtung Leine floss. Der heutige Wochenmarkt lag zwischen der inneren Befestigungsmauer (1251) und dem äußeren Befestigungswall (1362-1577) der später entstandenen Stadt.

Eine grundlegende Veränderung der Göttinger Entwicklung brachte 1737 die Gründung einer der ersten Universitäten in Deutschland, welche sich auch auf den heutigen Wochenmarktplatz auswirken sollte. Im Jahre 1835 nämlich erwarb der Göttinger Professor Carl Otfried Müller das ca. 3500 m² große Grundstück und ließ sich von Baumeister C. F. A. Rohns eine im klassizistischen Stil gehaltene freistehende Villa errichten. Bemerkenswert ist, dass die Hauptfassade des mit Säulen, Pilastern und Balkonen ausgestatteten Gebäudes nicht zur Straße ausgerichtet wurde, sondern zum parkähnlich gestalteten Garten.

Das Haus selbst entstand nach Müllers eigenen Entwurfsskizzen. Vorbilder fand er dabei in der klassischen griechischen Architektur und in jener des zeitgenössischen Architekten Schinkel. Das Ergebnis war ein Haus in klassizistischer Manier, das damals schon als ungewöhnlich galt und heute noch als baugeschichtlich bemerkenswert eingestuft wird. Auffallend sind vor allem die freistehenden dorischen Säulen, die nicht den Haupteingang betonen, wie es vielfach bei öffentlichen Gebäuden zu sehen war, sondern nur einfache Balkone tragen. Die dekorativste Seite des Gebäudes war somit nicht nach außen, also zur Hospitalstraße hin orientiert, sondern dem Privatbereich seiner Bewohner zugewandt. Die Straßenfront ist lediglich mit einfachen dorischen Pilastern und Gesimsen gegliedert.

Den Stil des Hauses bezeichnete der aus Schlesien stammende Bauherr, der offenbar einen feinen Sinn für Humor pflegte, als ´griechisch-schlesischen Stil´. Müller, Professor für klassische Philologie und Archäologie, bezog die Villa mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern und ließ den Hausgarten in Form einer parkähnlichen Anlage erstellen.

Nach seinem Tod, wenige Jahre später, wechselten die Nutzungen des Hauses stetig. Ab 1846 wurde das Haus an das ´Literarische Museum´ verpachtet . Dieser u.a. von Otfried Müller mitgegründete Verein hatte sich die Beschaffung und Pflege wissenschaftlicher Lektüre zur Aufgabe gesetzt. Der Verein zog großes Interesse auf sich; aufgrund des Zulaufs in den folgenden Jahren baute man 1856 einen Saal hinzu und errichtete im Jahre 1858 zusätzlich noch einen Speisesaal.

1886 schlossen sich das ´Literarische Museum´ und der 1789 gegründete ´Zivilklub´ zur sogenannten ´Union´ zusammen und betrieben im Otfried-Müller-Haus eine öffentliche Gastwirtschaft. Die Räume blieben aber auch weiterhin ein kulturelles Forum für die Stadt, man nutzte das Gebäude auch für Theaterveranstaltungen. In zunehmendem Maße wurde deutlich, dass sich rund um das Otfried-Müller-Haus die Entwicklung eines kulturellen Zentrums für Göttingen anbahnte.

1903 wurde das Haus an die Stadt Göttingen verkauft. Die Kultur musste in den Kriegsjahren des 1. Weltkrieges weichen, das Haus wurde zum Lazarett umfunktioniert. Nach dem ersten Weltkrieg richtete die Stadt Göttingen eine Jugendherberge im Otfried-Müller-Haus ein.
In der Epoche des nationalsozialistischen Regimes wurde das Haus weiter als Jugendheim genutzt. Die Hitlerjugend bot über sportliche Wettkämpfe und wehrsportliche Übungen ideologische Jugendarbeit an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselten die Nutzungen ständig. Die Stadt Göttingen schien keine keine rechte Verwendung für das Haus zu finden, und so wurden im ´Großen Saal´ die Kammerspiele, eine kleinere Schauspielbühne des ´Deutschen Theaters´ Göttingen, eingerichtet. Den Namen ´Kammerspiele´ übernahm anschließend ein kommerzielles Kino. Es verfügte über zwei Säle, den alten Saal und den ehemaligen Speisesaal, die sich im Anbau nördlich der eigentlichen Villa befanden. Das Otfried Müller Haus selbst wurde Sitz der Volkshochschule Göttingen.
Im Juli 1950 wurde auf dem heutigen Wochenmarktplatz vor dem Otfried Müller Haus das erste Freilichtkino Westdeutschlands, mit ca. 1000 Sitzplätzen eingerichtet.

Im Zuge steigender Verkehrszulassungen für Kraftfahrzeuge wurde 1967 das komplette Blockinnere asphaltiert und als Parkplatz genutzt.
1975 beschloss die Stadt Göttingen, dem erfolgreichen ´Jungen Theater´ mit seinem Intendanten Hans-Gunther Klein die Räumlichkeiten des Otfried-Müller-Hauses in der Hospitalstraße zur Verfügung zu stellen, und begann mit dem Umbau des Gebäudeinneren. Hintergrund dieses Angebots an das Junge Theater bildeten die Schwierigkeiten der Stadt Göttingen, für verschiedene ´freie Gruppen´ (zunächst Jugendgruppen), die sich bereits seit Jahren zu einer Planungsgruppe für ein sogenanntes Kommunikations-und Aktionszentrum (KAZ) zusammenbgeschlossen hatten und dessen Realisierung einforderten, einen organisatorischen Rahmen zu finden, da sie selbst nicht als Trägerin fungieren wollte.

Im Dezember 1975 verpflichtete sich die ´Junges Theater-GmbH´ im Rahmen eines Trägerschftsvertrages mit der Stadt Göttingen dazu, neben dem Theaterbetrieb mit anderen Gruppen, die ´selbst kulturell aktiv und produktiv sein wollen´, zusammen zu arbeiten. Seit 1976 nutzt das Junge Theater zusammen mit dem Kommunikations- und Aktionszentrum (KAZ) die Gebäude für Theateraufführungen, Gastronomie und Kultur- und Bildungsveranstaltungen.

Mit dem Abbruch des südwestlichen Teils des Quartiers im Jahre 1976 musste der alte Speisesaal der Errichtung eines Parkhauses weichen. Nach dem Bau der Passagen wurde das Blockinnere immer mehr als Fußgängerverbindung in der Innenstadt genutzt.
1978 wurde nach einem Entwurf des Hochbauamtes der Stadt Göttingen im Norden des Theatersaales ein eingeschossiger Flachbau für Requisiten und Garderoben errichtet.

Der ursprüngliche Ort des Göttinger Wochenmarktes ist der Marktplatz vor dem Alten Rathaus. Hier wurde bis in unser Jahrhundert hinein Markt abgehalten. Erst 1967 erhielt der heutige Wochenmarktplatz die Funktion des Marktes.

Schlussfolgerungen aus dem städtebaulichen Umfeld

Der Wochenmarktplatz ist der jüngste Platz der Göttinger Altstadt; er entstand erst in den sechziger Jahren durch den Abbruch von Hinterhäusern unter Einbeziehung der Freiflächen des Otfried-Müller-Hauses.

Die zentral gelegenen Stadtplätze folgen allesamt dem Prinzip der Altstadtgestaltung aus den 70er Jahren. Rotes und graues Kleinpflaster sowie Waschbetonpflaster beherrschen das Stadtbild, die Plätze sind zumeist den platzumgebenden Gebäuden untergeordnet und ähneln sich in ihrer Gestaltung in Bezug auf die verwendeten Materialien und Gehölze.

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist die folgende Zielbestimmung gerechtfertigt:

Die Gestaltung des Wochenmarktplatzes könnte ein modernes Gegenstück zu den bestehenden traditionellen Plätzen des Göttinger Altstadtkerns darstellen. Durch den Einsatz verschiedener Lichtinstallationen und eine neue Platzoberfläche mit großformatigen Platten könnte sich die Fläche von den anderen Plätzen der Göttinger Altadt deutlich unterscheiden. Vor allem die Verlagerung und Erweiterung des bestehenden kulturellen Angebots in den Freiraum bietet ein Potenzial, welches die Attraktivität des Wochenmarktplatzes auch nach den Ladenöffnungszeiten um ein Vielfaches steigern könnte. Dieses Potenzial hat in Göttingen eine besondere Rechtfertigung durch den hohen Anteil junger Leute an der Stadtbevölkerung.

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Die vorhandene Bebauung bildet einen unveränderbaren Abschluss für den zu gestaltenden Freiraum. Dieser hat die Form eines rechten Winkels mit zwei annähernd gleich langen Schenkeln nach Westen und Süden. Durch die angrenzenden Gebäude wird der Raum im südlichen und besonders im westlichen Schenkel eindeutig festgelegt.
Der sehr uneindeutige Raumcharakter der Platzmitte erhält im Entwurf einen fest definierten Abschluss. Hier, wo sich heute Privatflächen und öffentlicher Freiraum scheinbar vermischen und nahezu in keiner Weise voneinander zu unterscheiden sind, wird ein viertelkreisförmiger, in seiner Höhe gestaffelter Grünzug angelegt. Durch Verwendung relativ weniger Gehölzarten, welche relativ dicht gesetzt werden und deren Kronen bald ineinander übergehen werden, entsteht eine ´grüne Wand´ mit einem einheitlichen Erscheinungsbild. Sie bewirkt eine eindeutige räumliche Begrenzung des Platzes im Nordosten, leitet sanft, aber eindeutig den Richtungswechsel von Ost-West nach Nord-Süd und stellt gleichzeitig den Hintergrund einer Skulptur dar, welche gemeinsam mit ihr das Zentrum des Platzes betonen soll. Aufgrund der eigenwilligen Form des Platzes besteht die zentrale Aufgabe dieses Ortes in der Verbindung der beiden Schenkel zu einer Einheit: dem Göttinger Wochenmarktplatz. Ein Zentrum, obgleich am Rande gelegen, erhält durch Bepflanzung und Kunstobjekt sowie durch Wasser, Licht und Menschen ein angemessenes Gewicht.

Im südlichen Schenkel erfolgt eine weitere räumliche Neuorientierung. Sie wird zum einen durch die Verlagerung der Anliegerstraße in Richtung Nordosten bewirkt, welche für den Platz eine größere zusammenhängende Fläche entstehen läßt. Die Trennung dieser Flächen wird durch eine unterschiedliche Art der Oberflächenbefestigung verdeutlicht. Räumliche Wirkung erhält sie durch eine in regelmäßigen Abständen angelegte Baumreihe. Die funktionale Trennung wird überdies durch Ausstattungselemente (z.B. Poller, Bänke) unterstützt.
Eine weitere Neugestaltung des südlichen Schenkels besteht in der Integration des bislang durch Pappeln und Palisaden abgetrennten Raumes unmittelbar am Theaterbau. Dieser Raum wird im wahrsten Sinne des Wortes aufgewertet: er wird um ca. 80 cm erhöht und damit der Freiterrasse des Otfried-Müller-Hauses zugeordnet. Die Treppenanlage vor dessen historischer Fassade, die sich nach Norden in eine Sitzstufenanlage fortsetzt, bewirkt zwar eine Raumgliederung, nicht aber eine Trennung. Im Gegenteil: das Integrierende dieser Höhenstaffelung kommt durch eine weich gewundene Schlangenlinie zum Ausdruck, welche den Menschen auf den Sitzstufen eine Zuwendung zu einander ermöglicht, statt sie in einer Richtung parallel anzuordnen.
Der Südschenkel ist ein offener Platz: er öffnet sich nach Süden, gibt den Weg frei für das Sonnenlicht, welches ungehindert auf den Platz fluten kann, und für die Menschen, die ihn von der Hospitalstraße einsehen und erreichen. Salve hospes, seid gegrüßt und eingeladen, liebe Gäste, könnte man den Namen dieser Straße sehr frei assoziieren. Die breite Öffnung des Platzes nach Süden ist seine Repräsentation nach außen. Sie wird durch Bäume lediglich flankiert, nicht aber verstellt. Des Nachts sorgen Bodenstrahler, die diese Bäume von unten beleuchten, sowie eine Lichtsäule für Eindeutigkeit der Raumbegrenzung, ohne jedoch diesen traditionellen Hauptzugang zum Wochenmarktplatz zu verschließen. Im Gegenteil: Lichtbänder und -installationen locken zum Besuch des Platzes.

Eine eindeutige, räumliche Abgrenzung hingegen ist zur Straße ´Am Wochenmarkt´ erforderlich. Die hier angeordnete Baumreihe dient nicht nur zur eindeutigen Unterscheidung der fußläufigen von der befahrenen Zone, sondern verfolgt auch den Zweck einer einheitlichen Raumbildung und nimmt diese Aufgabe den uneinheitlichen und unansehnlichen Fassaden der östlichen Randbebauung ab.
In deutlich bescheidenerem Maße erfolgt die Neudefinition des Raumes im Westschenkel. Die hier durch die unveränderbare Bebauung eindeutig vorgezeichnete räumliche Situation erhält lediglich durch den Fall der Mauer und die damit verbundene Einbeziehung des bislang toten Raumes im Südwesten eine Erweiterung, welche dennoch aufgrund funktionaler Einengung durch die angrenzenden Nutzungen sowie starker Beschattung durch das Parkhaus ein erheblich geringeres Funktionspotenzial aufweist als die übrige Fläche. Aus diesem Grund beinhaltet der Vorschlag, in diesem Bereich ein Café mit Terrasse einzurichten, weder räumlich noch funktional eine Einengung, sondern stellt einen auf das Handicap der Situation zugeschnittenen, konstruktiven Vorschlag dar.

Der Entwurf sieht eine konsequente und eindeutige Verkehrszuweisung der Flächen vor. Im Wesentlichen wird zwischen der befahrbaren Fläche der Straße ´Am Wochenmarkt´ und der Platzfläche unterschieden, welche in ihrer Verkehrszuweisung den Charakter einer reinen Fußgängerzone erhält.

Um für einen modernen Platz auch eine alternative Oberflächengestaltung zum herkömmlichen ´Altstadtpflaster´ zu bieten, ist als Gerüst der neuen Oberfläche eine Befestigung mit großformatigen Platten vorgesehen. Die ´Basispflasterung´ besteht für den gesamten Platz aus durchgehend 40/80/8 cm großen Platten. Die Oberfläche dieser Betonplatten besteht aus farbigem Edelsplitt. Dieser Granit-Edelsplitt ist in einem grauweißen Farbton gehalten und ergibt einen freundlichen hellen Grundton. Die Vorteile dieses modernen Betonsteinmaterials sind leichte Verlegbarkeit, Frost- und Farbbeständigkeit, hohe Lebensdauer und mithin Wirtschaftlichkeit.
Die Verwendung der Natursteinmaterialien bei der Oberflächenbehandlung (Kugelstrahlverfahren) gibt den Platten einen natürlichen Charakter. Durch das einheitliche Format ist der Belag gut begehbar und durch die schmalen Fugen sehr trittsicher. Insgesamt vermittelt der neue Belag einen sauberen und ordentlichen Eindruck. Er ist gut zu reinigen, was angesichts des Marktbetriebes besonders wichtig ist, und durch das einheitliche Format auch leicht austauschbar. Die Verlegerichtung sowie die Verwendung unterschiedlicher Materialien bei der Strukturierung dieser Fläche unterstreicht den eigenständigen Charakter der beiden Schenkel des Platzes. Darüber hinaus werden weitere Unterbereiche hierdurch besonders kenntlich gemacht.

Nicht nur der Abwechslung der Oberflächengestaltung, sondern vor allem der Verbindung beider Schenkel des Platzes dient ein in die Oberfläche eingearbeitetes Pflasterband. Sein in organischen Schwüngen angelegter Verlauf weist auf die Ziele und Attraktionen des Platzes hin. Von der Passage der Kurzen Straße kommend erstreckt es sich in leichten Wellen, die sich beim Übergang in den nächsten Schwung jeweils verjüngen, bis zur Platzmitte, wo es hinter der Skulptur in einem Bogen in den südlichen Teil des Platzes verläuft, um sich anschließend in der ebenfalls geschwungenen und in ihrer Oberfläche ähnlich gestalteten Sitztreppe vor dem Jungen Theater fortzusetzen. Zumindest bis zum Zentrum stellt es einen möglichen Weg für die Besucher des Platzes dar.
Die Gestaltung des Pflasterbandes wird neben der Form durch verschiedene Materialien bewirkt. Von Schwung zu Schwung wechselt der Belag von dunklem zu hellem Naturstein. Hierbei kommen die im Raum Göttingen natürlicherweise wechselnden Ausgangsgesteine Buntsandstein und Muschelkalk zur Verwendung, welche auch an nahezu allen historischen Gebäuden in der Innenstadt wieder zu finden sind.
Die Einfassung des Bandes erfolgt durch kleinformatige Granitpflastersteine in einem mittleren Grauton. Eine Reihe des Granitpflasters beschreibt eine durchgehende Linie und gibt neben dem Wechsel vom Naturstein des Pflasterbandes zum Kunststein der Umgebung auch den Wechsel zum anderen Natursteinbelag innerhalb des Pflasterbandes vor.
Die beiden zu verwendenden Natursteine sollen das einheitliche Bild der Platten sowie ihren geradlinien Verband auflockern und kontrastieren. Diese Aufgabe kann das Pflasterband jedoch nur während der Zeiten übernehmen, in denen die Unterschiedlichkeit des Materials durch das Tageslicht zum Ausdruck kommt. Um auch zu Nachtzeiten eine Differenzierung der Fläche zu bewirken, werden in einem Abstand von 3 Metern Bodenstrahler in das Pflasterband eingelassen. Auf diese Weise wird auch am Abend und in der Nacht auf die Ziele und Akzente des Wochenmarktplatzes (Skulptur der Platzmitte, Parkhauseingang ..) aufmerksam gemacht.

Eine spezifische Differenzierung bestimmter Baumarten wird für die folgenden Aufgaben erforderlich:

Eine großzügige Treppen- und Podestanlage vor dem Theaterkomplex stellt ein zentrales Gestatungselement innerhalb des neuen Konzeptes dar. Die tribünenartige Gestaltung soll eine Verlagerung der bislang nahezu ausschließlich im Inneren des Theatergebäudes bzw. des KAZ konzentrierte kulturelle Aktivität in den Freiraum ermöglichen. Die exponierte, erhöhte Lage bietet dabei ein im wahrsten Sinne des Wortes ´hervorragendes´ Podium für die verschiedensten Veranstaltungen. Die Veranstaltungsmöglichkeiten werden allenfalls durch die Witterung und Jahreszeiten begrenzt, sind in der Saison hingegen weit gefächert: neben Theateraufführungen kann dieser Ort für Konzerte, Freilichtkino, Lesungen, Demonstrationen und weitere Happenings genutzt werden. Neben oder mit dem Kulturprogramm bildet die Gastronomie die schwerpunktmäßige Nutzung der Podestfläche. Der Wochenmarktplatz erhält durch diese Gestaltung die Chance, sich als junges, kulturelles Zentrum innerhalb der Stadt Göttingen zu etablieren - was er, wie die Geschichte zeigt, bereits schon mehrere Male war.
Das Podest erstreckt sich vom Otfried-Müller-Haus über den Theatersaal bis zur Südfassade der Theaterrequisite über eine Länge von insgesamt etwa 50 Metern. Die Podesthöhe liegt durchgehend bei 80 Zentimetern über Platzniveau und richtet sich damit in der Höhe nach dem Niveau der Kleinterrassen, die unter den von dorischen Säulen getragenen Balkonen bis heute nur als Ablageort der Biertische und -bänke dienen. Das Podest ist über zwei verschiedene Treppentypen und eine vor der Theaterrequisite gelegene Rampe zu erreichen. Im Süden wird der Höhenunterschied von einer 90 cm hohen Mauer aus Buntsandstein abgefangen, welche in Verbindung mit einem Geländer das Podest begrenzt.
Die dem Otfried-Müller-Haus zugeordnete geometrisch geformte Freitreppe mit fünf Steigungen à 16 Zentimetern und einer Auftrittstiefe von 40 cm erstreckt sich genau auf die Breite des Gebäudes. Hierbei wird die vor dem Eingang bestehende minimale Podestfläche 4 Meter in den Platzraum hervorgezogen, um als Podium wirken zu können. Ein Halbkreis mit einem Radius von vier Metern, dem Eingangsbereich des Gebäudes zugeordnet, ist dem Podest vorgelagert, die Mittelachse des Gebäudes aufnehmend und in den Raum tragend. Die Blockstufen der Freitreppe sind aus Beton mit einer Beschichtung aus hellem Edelsplitt gefertigt. Diese, dem Theatergebäude eindeutig zugeordnete Treppenanlage entspricht in seiner Formensprache der ausgewogenen symmetrischen Gestaltung des klassizistischen Gebäudes.
Von der Freitreppe durch eine Buntsandsteinmauer mit Geländer getrennt, schließt sich nach Norden als Übergang vom Platz zu dem Podest eine Treppenanlage an, welcher weniger der Erschließung sondern vielmehr der Kommunikation dienen soll. Als geschwungene Sitztreppe nimmt sie das Formenspiel der in die Oberfläche eingelassenen Pflasterbänder auf und kontrastiert durch diese freie Formensprache die strenge, am Otfried-Müller-Haus orientierte Symmetrie der benachbarten Freitreppe. Das geschwungene Pflasterband läuft somit in der Treppenanlage aus und erhebt sich in die dritte Dimension.
Die vor dem Saal gelegene großflächige Tribüne erstreckt sich von der Fassade des Theatergebäudes bis zu 10 Meter zuzüglich der anschließenden Treppenanlage in den Platzraum. Die gesamte Podestfläche vor dem Otfried-Müller-Haus wie auch vor dem Theatersaal ist mit dem großformatigen Rechteckpflaster der Basispflasterung befestigt. Auch die Verlegerichtung und die rhythmisierenden, unterteilenden Plattenbänder werden von der davorliegenden Pflasterfläche übernommen. Eine zusätzliche Strukturierung erhält die Fläche durch die in den Boden eingelassenen Beleuchtungskörper, die sich ebenfalls über beide Flächen fortsetzen.
Aufgrund dieser Gestaltung erscheinen Podest und übrige Platzfläche trotz des Höhenunterschiedes von 80 cm als Einheit. Gleichwohl zeichnet der Höhenunterschied eine deutliche Funktionstrennung vor: Marktstände werden Schwierigkeiten haben, ihn zu erreichen - fliegende Händler hingegen haben hier keine Probleme. Als Sitzterrasse ist das Podest geeigneter als das Parterre - allein der Aussicht wegen, darüber hinaus aufgrund der relativen Nähe zum Tresen. Eine Bühne hat auf dem großen Podest die besten Voraussetzungen mit nahezu unbegrenzten Auftrittsmöglichkeiten. Umgekehrt lassen sich auch vom Podest aus Aktionen im Parterre verfolgen. Der Möglichkeiten gibt es sicher noch mehr: in jedem Falle bietet die Höhenstaffelung der Fläche vor den kulturell genutzten Gebäuden erheblich mehr Möglichkeiten der Kommunikation und Aktion als eine Fläche gleicher Höhenlage.

Um den Platz auch des Nachts als attraktives Kulturzentrum wirken zu lassen, ist ein sehr differenzierte Beleuchtungssystem angedacht. Es besteht aus Bodenstrahlern, Lichtbändern (in den Boden eingelassene Leuchtdioden), Mastleuchten und Lichtpollern unterschiedlicher Höhe, einem System zur Beleuchtung der großen Treppenanlage, Lichtsäulen an den Eingängen, Strahlern an den Fassaden, einem LED-Informationssystem und nicht zuletzt der Möglichkeit, durch Aufstellen einer Beleuchtungsbrücke die Theateraktivitäten im Freiraum zu ermöglichen.

Die Neugestaltung des Wochenmarktplatzes eröffnet gegenüber der heutigen Situation umfassende Möglichkeiten kultureller Aktivitäten oder auch des Kulturkonsums. Eine der wesentlichen Eigenschaften von Kultur ist ihre Spontanität. Wichtig erscheint daher, ein offenes, einladendes Forum zu schaffen, Räume nicht abzutrennen sondern im Gegenteil zu verbinden und alle Möglichkeiten zur Versorgung vorzusehen, wie zum Beispiel Fundamente und Anschlüsse für eine Beleuchtungsbrücke zur Umwandlung des Podestes oder des davor gelegenen Parterres in eine Bühne.
Eine der wesentlichen kulturellen Nutzungen wird die des Theaters sein. Auch die Göttinger Tradition als Filmstadt kann mit der Einrichtung eines Freilichtkinos, welches bereits einmal hier seinen Platz hatte, an dieser Stelle sehr effektvoll wiederbelebt werden.
Die bildende Kunst kann auf dem Wochenmarktplatz ebenfalls ein Forum erhalten. Der Göttinger Kunstmarkt war in den siebziger und achziger Jahren eine Tradition, bevor ihn wenig kulturbeflissene Stadtmütter und -väter ersatzlos zu Gunsten eines Altstadtfestes fallen ließen. Auf einem Wochenmarktplatz, der auch einen kulturellen Treffpunkt darstellt, wäre die Wiederbelebung der ehemals sehr erfolgreichen Institution allein durch die vorhandene Infrastruktur erheblich erleichtert. Kleine Ausstellungen könnten sich in den Gastronomiebetrieben des Umfeldes etablieren, bevor es vielleicht auch Galerien bewegen würde, sich in der Nähe des Wochenmarktplatzes niederzulassen.
Die Göttinger Händelfestspiele bilden den Höhepunkt der Musikszene in der Universitätsstadt. Seit langem ist im Zuge des Programmes mindestens ein Freiluftkonzert Tradition; früher einmal fand es auf dem Marktplatz statt. Das große Podest am Jungen Theater nimmt leicht ein Sinfonieorchester und dazu einen Chor auf. Die umliegende Bausubstanz verhilft dem Platz zu einer, allerdings beschränkten Akustik. Die wenigen Passagen erlauben, dass derartige Konzerte auch nichtöffentlich sind, so dass die Kosten von einem zahlenden Publikum getragen werden. Dennoch ist es stets eine besondere Geste der Händel-Gesellschaft gewesen, auch freie Konzerte anzubieten und auf diese Weise das kulturelle Leben auch in der breiten Öffentlichkeit zu verbreiten.
Bereits diese Visionen einer kulturellen Nutzung des Wochenmarktplatzes lassen erahnen, welches Potenzial durch eine Umgestaltung mobilisiert werden kann. Durch eine aktive Kulturszene können diese Erwartungen ohne weiteres noch übertroffen werden. Wichtig ist jedoch, dass mit einem geeigneten, offenen Umfeld der Boden für dererlei Aktivitäten bereitet wird.

Ist der Platz zu aufwändig gestaltet? Kostspielige Materialien wie Natursteinpflaster werden auf einen minimalen Anteil beschränkt. Aufwändig ist die Treppenkonstruktion - aber ein erhöhtes Podest mit nur wenigen Zugängen würde abermals eine Flächentrennung bewirken, die definitiv vermieden werden muss. Aufwändig ist die Lichtinstallation. Aber sie verlängert die tägliche Nutzungsdauer des Platzes erheblich. Geht man davon aus, dass der Platz durch Gastronomie und Kulturveranstaltungen auch eine monetär ausdrückbare Nutzung erhält, beinhaltet die Gewährleistung entsprechender Lichtverhältnisse nichts anderes als eine sinnvolle Investition, welche zumindest teilweise durch Pachten refinanzierbar ist.
Vielleicht sollte man sich von der Idee lösen, dass umfangreiche und damit kostspielige Sanierungsvorhaben von Freiraumsituationen grundsätzlich mit Hinweis auf die allgemein als schlecht bezeichnete kommunale Finanzsituation hinten angestellt werden. Nach einem Bericht des ´Göttinger Tageblatts´ erbringt die Göttinger Parkraumbewirtschaftung der innenstadtnahen Bereiche jährlich 3,5 Millionen DM! Diesen Betrag wird die Neugestaltung des Wochenmarktplatzes nicht überschreiten. Mit diesem Bezug wird deutlich, dass es nicht um absolute Summen geht, sondern um Prioritäten, und dass die Sanierung und gestalterische Aufwertung des Göttinger Wochenmarktplatzes als einem der größten Freiräume der Innenstadt kein Jahrhundertprojekt sein muss.

© Schwahn Landschaftsplanung, Mathias Wollmann, Juni 2001


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